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toyn

eine närrin. so und so. sowieso.



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Dienstag, 26. März 2013

o.t.

Von toyn, 20:13


Depression
Du hast Angst vor dem Begriff: Verrückt. Weil du dich mit diesem Wort in eine Schublade steckst und diese vielleicht nie mehr aufmachen wirst.

Du verstehst das nicht. Niemand tut das. Diese Krankheit ist wie ein Gespenst. Du kannst sie nicht sehen, aber sie spukt durch deinen Kopf. Warum ausgerechnet durch deinen Kopf? Es gibt keinen ersichtlichen Grund dafür. Du hast keinen Krieg miterlebt, deine Eltern leben noch und eigentlich bist du gesund. Aber uneigentlich? Und dann zerbrichst du dir voller Schuldgefühle und Selbstzweifel den Kopf an der Suche nach den Ursachen. Die so vielfältig sind, dass es eine ziemliche Frechheit von dir ist, dich dafür zu verurteilen, weil du keinen triftigen Grund erkennst. Du fragst dich schließlich auch nicht, warum dein Großvater Krebs hat, der hat doch gar keinen Grund. Krankheiten haben ihre Ursachen, aber die sind komplex. Insbesondere bei Krankheiten, die wie Gespenster sind. Unsichtbar und gruselig.


Vielleicht warst du schon immer krank. Ganz bestimmt bist du nicht erst krank geworden, weil es ein Trend ist. Du gehst nicht mit dem Trend und denkst, dass Krankheiten das auch nicht tun. Und diese war schon immer da. Sie ist vielleicht ein Modebegriff, aber keine Modekrankheit. Man könnte auch sagen, dass du an Melancholie leidest. Und sicher war dies einst ein Modebegriff dafür. Und bestimmt schmückt mancher sich gern mit Modebegriffen. Außerdem ist es in einigen Berufsfeldern sogar schick oder wird erwartet, dass man krank ist. Ein Künstler, der nicht leidet, kann doch gar keine gute Kunst machen. Doch diese Einstellung ist dir zu trendy.

Das Ganze nicht ernst zu nehmen, ist keine gute Entscheidung. Die du trotzdem immer wieder triffst, weil du so sehr von dir selbst genervt bist und dich oft fragst: Warum kann ich mich jetzt nicht einfach mal zusammenreißen?! Doch lächerlich ist das leider nicht. Wenn du sterben willst, wenn du dich und das Leben nicht mehr erträgst, wenn du Schmerzen hast, es dunkel ist im Kopf und die Traurigkeit in der Herzkammer wohnt. Und dann, wenn es einmal nicht ganz so dunkel ist, wenn du mal einen guten Tag hast, dann wirfst du alles über Bord. Die schweren Gedanken und die tristen Augenblicke. Krank? Nein. Es gibt gar keine Gespenster. Faul und undiszipliniert warst du vielleicht, aber damit ist jetzt Schluss. Nicht mehr zu viel nachdenken und glücklich werden. Das klappt dann so lange, bis die Dunkelheit wieder zuschlägt. Unerwartet, plötzlich und mit voller Wucht, sodass deine Seele unter Beton liegt und du dir lächerlich vorkommst, weil du dachtest, dass es jetzt endlich besser wird. Und dann erträgst du das Leid bis zum nächsten hellen Moment, mal mehr mal weniger gut. So wie jeder andere Mensch, der erkrankt ist. An was auch immer. Und wenn dies doch eine nicht ernst zu nehmende Krankheit sein sollte, warum kannst du dann nicht lachen?

Du hast Angst vor den Begriffen: Klinik oder Anstalt oder Verrückt oder Irre. Weil du dich zusammen mit diesen Wörtern in eine Schublade steckst und diese vielleicht nie mehr aufmachen wirst. Du arbeitest an dir. Aber es ist nicht einfach. Und was ist, wenn du nie mehr gesund wirst? Etliche Vorgespäche, Telefonate, Listen und Wartezeiten, das hast du auf dich genommen,weil du Hilfe brauchst. Und die brauchst du, weil du krank bist. Einfach mal eben eine Psychotherapie machen, weil es vielleicht angesagt ist, das mag vorkommen, doch so einfach ist das nicht. Es ist nicht einfach. Mit dieser Krankheit zu leben. Weil niemand es versteht. Weil einige es modisch finden. Weil andere es lächerlich finden. Weil jeder Angst hat vor dem, was nicht normal ist. Obwohl alles ganz normal ist. Aber. Das muss erstmal einer verstehen.


©Melliteratur


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